Zwei Piloten im Cockpit eines kleinen Flugzeugs während des Flugs

Forschung & Wirkung: Nachhaltiger Flugverkehr

Der Flugverkehr gilt als einer der großen „Klimasünder“ unserer Zeit und ist doch elementar für internationale Vernetzung und Logistik. Das Technologie-Startup H2FLY arbeitet an einer Lösung: CO2 -neutrale Antriebe für den Flugverkehr auf Grundlage von Brennstoffzellen und flüssigem Wasserstoff. Stefan Notter, ausgezeichneter Jungwissenschaftler der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring, hilft als Entwicklungsingenieur dabei, diese Vision einer nachhaltigeren Welt Wirklichkeit werden zu lassen.

Die Luftfahrtindustrie ist ein essenzieller Bestandteil der globalen Vernetzung. Doch sie trägt auch zur menschengemachten Klimaerwärmung bei, aktuell mit einem Anteil von ca. 3,5 %. Mit steigendem Passagieraufkommen könnten die CO2-Emissionen der Luftfahrt bis 2050 sogar einen Anteil von 35 – 50% ausmachen. Klimaschädliche Emissionen zu reduzieren, ist eine immense Herausforderung. Doch die Branche hat sich so ambitionierte Ziele gesteckt, wie kaum eine andere: Bis 2050 will sie einen CO2-neutralen Luftverkehr erreichen. Das soll unter anderem durch den Einsatz alternativer Kraftstoffe, durch innovative Technologien und einem effizienteren Betrieb gelingen.

Durch den Einsatz alternativer Kraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF) könnten CO2-Emissionen um 30 – 60% gesenkt werden. Allerdings bliebe die Lärmemission, wie sie bei der Verbrennung von Kerosin auftritt, bestehen. Auch der Herstellungsprozess solcher Kraftstoffe ist sehr energie- und kostenintensiv und würde deshalb eine hohe Steigerung der Kapazität an erneuerbaren Energien erfordern.

Ein elektrischer Flugzeugantrieb mit Batterien könnte CO2-Emissionen gegenüber klassischen Flugzeugantrieben um mehr als 90% senken. Ein Elektromotor verursacht auch kaum Lärmemission. Allerdings beschränkt das hohe Gewicht der Batterien ihren Einsatz bisher auf kleine Flugzeuge oder Flugtaxis (sog. eVTOL) mit maximalen Reichweiten bis ca. 500 km.

Zwei H2FLY-Mitarbeiter stehen neben einem kleinen Flugzeug auf einem Flugplatz
Bild: H2FLY
Drei Männer in Warnwesten sitzen auf einem Flugplatz vor drei Laptops
Bild: H2FLY
Foto eines Flugzeugs auf einem Flugplatz, links im Bild ist ein Mitarbeiter von hinten zu sehen, auf dessen Warnweste H2FLY steht
Bild: H2FLY
Wasserstoff-Tank eines Flugzeugs von H2FLY in Großaufnahme
Bild: H2FLY

Die Lösung – Fliegen mit flüssigem Wasserstoff

Das Unternehmen H2FLY aus Stuttgart wurde von Prof. Dr. Josef Kallo und einem kleinen Team aus dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Universität Ulm ausgegründet. H2FLY arbeitet seit 2015 daran, den Weg für einen emissionsfreien Luftverkehr zu ebnen: Das Unternehmen entwickelt einen wasserstoff-elektrischen Flugzeugantrieb. Dieser Antrieb besteht aus einem Brennstoffzellensystem, einem Flüssigwasserstofftank und einem Elektromotor. Wasserstoff reagiert in den Brennstoffzellen mit Sauerstoff aus der Umgebungsluft. Bei dieser elektrochemischen Reaktion entsteht elektrische Energie, die den Motor des Flugzeugs antreibt.

CO2-Emissionen können so um 75 – 90% gesenkt werden. Wasserstoff-elektrische Antriebe verursachen außerdem kaum Lärmemission und sind, anders als Batterien, für unterschiedliche Luftfahrtanwendungen geeignet; von kleinen Flugzeugen und Flugtaxis bis hin zu Regionalflugzeugen. Dabei kommt Flüssigwasserstoff als Treibstoff zum Einsatz, denn dieser ermöglicht aufgrund seiner Energiedichte hohe Reichweiten und macht wasserstoff-elektrische Antriebe damit zu einer echten Option für die kommerzielle Luftfahrt. Zum Vergleich: gasförmiger Wasserstoff hat bei gleicher Energie ein höheres Volumen, ein Flugzeug würde also signifikant größere Tanks benötigen. Dies ginge zu Lasten der Transportleistung, die insbesondere in der kommerziellen Luftfahrt ein zentraler Faktor ist.

Der Weg zum Ziel – Meilensteine der Entwicklung bei H2FLY

Im Rahmen einer Testflugkampagne wurde 2022 mit dem wasserstoff-elektrischen Demonstrationsflugzeug HY4 ein neuer Höhenrekord von 7.000 Fuß aufgestellt und das Potenzial von Wasserstoff und Brennstoffzellen als emissionsfreie Antriebstechnologie demonstriert. Im Rahmen der Testflugkampagne gelang H2FLY der weltweit erste Überlandflug eines wasserstoff-elektrischen Flugzeugs zwischen zwei Flughäfen (Stuttgart – Friedrichshafen).  Darüber hinaus demonstrierte das Unternehmen erfolgreich die Integration eines Wasserstoffflugzeugs in den Luftraum und Bodenbetrieb der Verkehrsflughäfen.

Im Sommer 2023 gelang H2FLY in Kooperation mit Air Liquide und weiteren Partnern der weltweit erste pilotierte Testflug mit einem wasserstoff-elektrischen Antriebssystem, das mit kryogenem, flüssigem Wasserstoff betrieben wurde. Damit konnte die Reichweite der HY4, die in den Jahren zuvor noch mit gasförmigem Wasserstoff betrieben wurde, von 750 km auf 1.500 km verdoppelt werden.   H2FLY demonstrierte damit erstmals die Realisierbarkeit von emissionsfreien, wasserstoff-elektrischen Mittel- und Langstreckenflügen.

Im Rahmen einer Testflugkampagne im Juli 2024 zeigte Joby Aviation in Zusammenarbeit mit H2FLY schließlich das Potenzial von wasserstoff-elektrischen Antriebssystemen mit Flugtaxis. Das Flugtaxi von Joby wurde dabei mit einem von H2FLY entwickelten Brennstoffzellensystem ausgestattet und legte eine Strecke von knapp 850 km zurück. Dieser Testflug ist (nach unserer Kenntnis) der weltweit erste eines eVTOLs, das mit flüssigem Wasserstoff und Brennstoffzellen betrieben wurde.

In Zukunft

Nach diesen Erfolgen liegt der aktuelle Fokus bei H2FLY auf der Weiterentwicklung des Brennstoffzellensystems. Angestrebt wird eine weitere Steigerung der Effizienz und die Hochskalierung für andere Anwendungen. Das Ziel: Bis Anfang der 2030er Jahre soll ein erstes kommerzielles Brennstoffzellensystem zertifiziert sein. Bis Mitte der 2030er Jahre sind Brennstoffzellensysteme in der Megawatt-Klasse denkbar.


Über Stefan Notter

Stefan Notter wurde 2019 als Jungwissenschaftler der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring in Anerkennung seiner wissenschaftlichen Arbeiten zur autonomen Flugsteuerung durch das Zusammenführen von Methoden der künstlichen Intelligenz mit klassischen regelungstechnischen und schätztheoretischen Ansätzen ausgezeichnet.

Beim Technologie-Startup H2FLY ist er als Entwicklungsingenieur an der Modellierung und modellbasierten Regelung von Brennstoffzellensystemen beteiligt. Stefan Notter arbeitet an der physikalisch-motivierten sowie datenbasierten Modellierung und Optimierung von Brennstoffzellensysteme. Simulationen ermöglichen einen effizienten (Vor-)Entwurf neuer Systeme, eine modellbasierte Optimierung von Betriebsparametern sowie ein virtuelles Testen neuer Steuer- und Regelungsalgorithmen.

Außerdem unterstützt Stefan Notter die algorithmische und funktionale Entwicklung der Brennstoffzellen-Steuerung im Bereich der modellbasierten Regelung (und modernen Methoden der Regelungstechnik im Allgemein). Unter anderem koordiniert und betreut Stefan Notter studentische Abschlussarbeiten mit forschungsnahen Aufgabenstellungen.

Bis zu Beginn des Jahres 2023 war Stefan Notter als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Flugmechanik und Regelungstechnik der Universität Stuttgart tätig. Seine Forschung konzentrierte sich auf die Entwicklung von Regelungsalgorithmen, insbesondere aus dem Bereich des maschinellen Lernens, für autonome Systeme. Vorrangig befasste er sich mit regelungstechnischen Maßnahmen zur Steigerung der Ökoeffizienz von Flächenflugzeugen und deren realer Umsetzung. Neben der intelligenten Ansteuerung (verteilter, hybrid-) elektrischer Flugantriebe entwickelte und demonstrierte Stefan Notter Verfahren zum automatisierten Auffinden und Ausnutzen natürlich auftretender Aufwinde.