* 26. November 1930 in Stuttgart, † 16. Okrober 2018 ebenda
Der Rat der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring beschloss am 13. Dezember 2005, Herrn Prof. Berthold Leibinger den „Werner-von-Siemens-.Ring“ — Ehrenring für Verdienste um Naturwissenschaft und Technik — zu verleihen. Der Stiftungsrat würdigt mit diesem Beschluss die Verdienste von Berthold Leibinger um die innovative Entwicklung und erfolgreiche unternehmerische Umsetzung der Technologien zur flexiblen Blechverarbeitung und der industriellen Lasertechnik.
Genialer Ingenieur und visionärer Unternehmer
Berthold Leibinger steht für einen Typ Mensch, dessen Ideen und Visionen ihn zu einer Leitfigur des industriellen Mittelstandes werden ließen. Leibinger konnte dabei sein Talent als Konstrukteur und Ingenieur mit ökonomischem Weitblick verbinden, eine Kombination, die für eine außergewöhnliche Industriekarriere ursächlich war. Gleichzeitig zeichnete Leibinger stets eine große Heimatverbundenheit aus.
Leibinger kam 1930 zur Welt, wuchs in Korntal in der Nähe von Stuttgart in einem liberalen Umfeld auf und war in der Schule eher den nicht-technischen Fächern zugetan. Deutsch, Geschichte und Philosophie zählten zu seinen Lieblingsfächern. Andererseits hielt er in der Not der Nachkriegszeit den Maschinenbau für eine „grundsolide Sache“ und entschied sich dafür, sich später keinesfalls mit „etwas Unnötigem“ zu beschäftigen.
Folgerichtig ging er zunächst als Lehrling zur damals noch kleinen Maschinenfabrik TRUMPF, die in seinem Heimatort gelegen war. Nach einer verkürzten Ausbildungszeit begann er sein Maschinenbau-Studium an der Technischen Hochschule Stuttgart. Nach Anfertigung seiner Diplomarbeit – wiederum bei der Firma TRUMPF – wanderte er mit seiner Frau in die USA aus.
Von 1958 bis 1960 arbeitete Leibinger als Entwicklungsingenieur bei Cincinnati Milling Machines (CMM), Cincinnati, Ohio. Diese beiden Jahre prägten ihn sehr. Leibinger erinnert sich, dass ihn der Vize-Präsident der CMM, als er nach Deutschland zurückging, als „den größten Dummkopf“ bezeichnet habe, der ihm jemals untergekommen sei. Wie sehr der Amerikaner sich damit verschätzt hatte, war noch nicht absehbar. Und auch Leibinger war sich damals nicht sicher, ob es die richtige Entscheidung war, in die alte Welt zurückzukehren.
In Deutschland angekommen, wurde er Leiter der Konstruktionsabteilung bei TRUMPF. Für Erfindungen, die zur Einführung neuer Produkte führten, erwarb Leibinger zahlreiche Lizenzen. Dies in so rascher Folge, dass es für TRUMPF bald billiger war, ihn am Unternehmen zu beteiligen, als weiter Lizenzgebühren zu zahlen. Schließlich wurde er 1966 Technischer Geschäftsführer und Gesellschafter und leitete die TRUMPF GmbH + Co. KG als Vorsitzender der Geschäftsführung und Gesellschafter von 1978 bis zum 18. November 2005.
Seine Tochter Nicola Leibinger-Kammüller übernahm die operative Verantwortung als Vorsitzende der Geschäftsführung, Leibinger wurde Vorsitzender des Aufsichtsrats. Die Firma TRUMPF gestaltete er innerhalb von knapp 40 Jahren von einer kleinen schwäbischen Maschinenfabrik zu einem Weltunternehmen um. Heute hat das Unternehmen rund 7.000 Beschäftigte und erwirtschaftet einen Umsatz von ca. 1,6 Mrd. Euro. Es ist in rund 25 Ländern mit eigenen Tochtergesellschaften präsent und ein führender Hightech-Konzern in den Bereichen Werkzeugmaschinen, Lasertechnik, Elektronik, Medizintechnik und Elektrowerkzeuge.
„Diesen Erfolg“, so schrieb die Jury der Konrad- Adenauer Stiftung im Jahr 2003 über ihren Preisträger Soziale Marktwirtschaft, „verdankt das Unternehmen der Aufbruchstimmung, Risikofreude und Begeisterung Berthold Leibingers für technische Entwicklungen und seiner Überzeugung, dass Technik als Teil unserer Kultur anzusehen ist.“ Und weiter: „Berthold Leibinger steht für den christlichen und ethischen Werten verpflichteten Unternehmer, der keinen Widerspruch zwischen ökonomischer Effizienz und Glauben sieht, sondern im Pietismus ein sicheres Fundament und positive Arbeits- und Lebenseinstellung findet.“
Es ist beeindruckend festzustellen, dass Leibinger mit gerade einmal 35 Jahren beruflich schon alles erreicht hatte, was man als Ingenieur gemeinhin anstrebt. Seine außerordentliche Begabung als Ingenieur, aber sicher auch sein feines ökonomisches Gespür, sind für Leibingers ungewöhnlichen Lebensweg gleichermaßen verantwortlich.
Bezeichnend für ihn als Mensch ist, dass er sich mit der Position als Technischer Geschäftsführer nicht zufrieden gab. Er wollte mehr und konnte das immer wieder demonstrieren. Im Jahr 1957 meldete der damals junge Ingenieur Berthold Leibinger ein Patent zur Koordinatenführung an. Diese technische Entwicklung ermöglichte millimetergenaues „Nibbeln“ (fortgeführtes Stanzen) von Ausschnitten und Konturen. TRUMPF nutzte die Vorteile dieses Trennverfahrens für die Blechbearbeitung – sowohl bei seinen stationären Maschinen als auch bei den Elektro- und Druckluft-Werkzeugen.
Ab 1979 eröffnete sich TRUMPF unter der Führung Leibingers mit dem Einstieg in die Lasertechnik ein ganz neues Geschäftsfeld. 1985 stellte das Unternehmen erstmals einen eigenen CO2-Laser vor, der anfänglich über 1 KW Strahlleistung verfügte. Zwei Jahre später baute TRUMPF eine Flachbettlaserschneidanlage mit fliegender Optik, bei der nicht das Werkstück unter dem Laser bewegt, sondern die Optik über das Werkstück geführt wird.
Im Jahr 2003 präsentierte das Unternehmen dann als Weltneuheit den Prototyp eines Scheibenlasers mit vier Kilowatt Laserleistung. Dank der hohen Strahlqualität eröffneten sich nunmehr völlig neue Anwendungsmöglichkeiten, beispielsweise das Scanner-Schweißen oder das Laserformen.
Wenn man Leistungen des Unternehmens TRUMPF beschreibt, verweisen diese immer auch auf den Erfindergeist Leibingers. TRUMPF ist ohne Leibinger nicht denkbar – manche gehen so weit zu sagen, Leibinger sei TRUMPF. Deshalb muss man auch nicht besonders betonen, dass Berthold Leibinger beispielsweise das Stoßstahlprinzip entwickelt und patentiert hat, das es TRUMPF ermöglichte, 1963 handbetriebene Maschinen für die Schweißnahtvorbereitung auf den Markt zu bringen.
Stets ahnte Leibinger wichtige Trends voraus und stellte sein Unternehmen, nicht zuletzt mit eigenen Beiträgen, optimal auf kommende Anforderungen ein, sodass die weltweite Expansion gelingen konnte. Sein unternehmerisches Selbstverständnis verdient besondere Erwähnung:
Statt kurzfristig auf Erfolge an der Börse zu setzen, führte Leibinger seinen Betrieb stets als mittelständisches Familienunternehmen, „in dem die persönliche Beziehung von Geschäftsleitung und Mitarbeitern noch gegeben ist und in der Leistung auch für den Einzelnen sichtbar wird“, wie der Vorstandsvorsitzende der BASF AG, Jürgen Strube, 2001 anerkennend schrieb, als Leibinger vom manager magazin als „herausragende Unternehmerpersönlichkeit unserer Zeit“ (Strube) ausgezeichnet wurde.
Weit überdurchschnittlich sind auch seine Leistungen für das Gemeinwohl. Leibinger hat sich nicht nur in zahlreichen Ämtern, z. B. als Vorsitzender des Universitätsrates der Universität Stuttgart, als Präsident der IHK Region Stuttgart oder als Präsident des VDMA, engagiert, sondern 1992 die gemeinnützige „Berthold-Leibinger-Stiftung“ gegründet, die ihre Erträge kulturellen, wissenschaftlichen, kirchlichen und mildtätigen Zwecken zuführt. Seit dem Jahr 2000 schreibt sie alle zwei Jahre den Berthold Leibinger Innovationspreis für angewandte Laserphysik aus.
Leibinger hat aufgrund seiner geistigen Kraft vieles verändern können. Ein Buch mit dreißig seiner mittlerweile über 650 Reden trägt den Titel: „Es sind geistige Kräfte, die die Welt verändern“ . Berthold Leibinger ist sich auch diesbezüglich treu geblieben, so wie auch seinem Grundsatz („ schaffa, net schwätza“) und seiner schwäbischen Heimat.
Das In- und Ausland hat Berthold Leibingers Lebenswerk mit zahlreichen Ehrungen gewürdigt. 1990 erhielt er den Ehrendoktor seiner Universität. 1996 wurde ihm der Ehrentitel eines Professors durch den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel verliehen. Im Jahr 2000 bekam er die Große Staufermedaille in Gold des Landes Baden-Württemberg. Seine Ehrung fand am 13. Dezember 2006 in Berlin statt. Bundespräsident Horst Köhler war bei der Festveranstaltung anwesend.
Kurzbiographie
1950 Abitur, anschließend Beginn einer Mechanikerlehre bei TRUMPF & Co.
1951-1957 Studium des Maschinenbaus an der Technischen Hochschule Stuttgart, Abschluss als Diplomingenieur. Als Diplomarbeit wurde eine experimentelle Untersuchung bei der Fa. TRUMPF & Co. durchgeführt. Anschließend Konstrukteur bei TRUMPF & Co. KG.
1958-1960 Entwicklungsingenieur bei Cincinnati Milling Maschines, Cincinnati, Ohio, USA.
1961-1965 Leiter der Konstruktionsabteilung der TRUMPF GmbH+Co. KG. Leibinger verwirklichte eine Reihe wichtiger Neukonstruktionen, die zu einer völligen Umgestaltung des Produktprogramms von Trumpf führten und die Grundlage für das spätere Wachstum der Firma bildeten.
1966-1978 Technischer Geschäftsführer und Gesellschafter der TRUMPF GmbH+Co. KG.
1978-2005 Vorsitzender der Geschäftsführung und Gesellschafter der TRUMPF GmbH+Co. KG.
2005-2012 Vorsitzender des Aufsichtsrates und Gesellschafter der TRUMPF GmbH+Co. KG.
2013-2018 Gesellschafter der TRUMPF GmbH+Co. KG.