Forschung & Wirkung: Wie Grundlagenforschung Krebstherapien verändert

Neue Wirkstoffe eröffnen Chancen

Jährlich erkranken insgesamt etwa 500.000 Menschen neu an Krebs. Damit zählt die Krebsforschung oder Onkologie zu den größten Herausforderungen der modernen Medizin. Innovative Therapien entstehen dabei oft an der Schnittstelle von Chemie, Biologie und Pharmakologie, also genau dort, wo Grundlagenforschung auf konkrete medizinische Anwendung trifft.

Neue Wirkstoffe – sei es aus der Natur oder durch gezielte Synthese im Labor – eröffnen Chancen, die weit über die Forschungslabore hinausreichen. Denn neue Substanzen können nicht nur gezielt optimierte Pharmazeutika hervorbringen, sondern langfristig auch die Lebensqualität von Patient:innen deutlich verbessern. Forschung in diesem Bereich ist deshalb nicht nur wissenschaftlich hochinteressant, sondern hat auch einen besonderen gesellschaftlichen Wert. Ein herausragendes Beispiel für diese Verbindung von exzellenter Forschung und gesellschaftlicher Relevanz ist Prof. Dr. Dieter Schinzer, seit 1986 an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) tätig. Im selben Jahr erhielt er die Auszeichnung als Werner-von-Siemen-Fellows (damals: Jungwissenschaftler).

Schinzers Team hat sich auf die Totalsynthese komplexer Naturstoffe und deren medizinische Anwendung spezialisiert. Besonders im Fokus steht Disorazol Z1, ein Naturstoff, der bereits in winzigen Mengen das Zellwachstum hemmt. Bisher konnte man diesen Stoff natürlich nur in minimalen Mengen gewinnen – Schinzers Labor hat diese Hürde überwunden.

Prof. Dieter Schinzer mit dem Modell des Disorazol-Moleküls. (Foto: Jana Dünnhaupt/Uni Magdeburg)

„Grundlagenforschung kann Türen öffnen, die bislang verschlossen schienen.“

Dieter Schinzer, Werner-von-Siemens-Fellow 1986

Ein Meilenstein in der Forschung

Disorazol in größeren Mengen im Labor herzustellen, ist ein Durchbruch mit weitreichendem Potenzial für die medizinische Forschung. Denn die Laborsynthese von Disorazol Z1 ermöglicht erstmals:

– Strukturvarianten gezielt herzustellen,
– Wirksamkeit und Selektivität zu optimieren und
– künftige präklinische Studien vorzubereiten.

Wir haben die Natur nachgeahmt – aber mit einem entscheidenden Vorteil: Bakterien produzieren Disorazol Z1 nur in einer bestimmten Form. Wir können es gezielt anpassen und für medizinische Anwendungen optimieren. – Prof. Dr. Dieter Schinzer

Das bedeutet: Die Totalsynthese eröffnet erstmals die Möglichkeit, das Molekül gezielt zu verändern oder mit Antikörpern zu koppeln, die den Wirkstoff direkt zu Tumorzellen transportieren. Schinzers Arbeit zeigt, wie innovative Chemie den Weg für potenziell neue Krebstherapien ebnet.

Blick in die Zukunft

Der Weg zu einem marktfähigen Medikament ist allerdings noch lang: Klinische Tests, Sicherheitsprüfungen und pharmazeutische Entwicklungen stehen erst am Anfang. Doch die Totalsynthese eröffnet Forscher:innen weltweit den Zugang zu einer bisher schwer erreichbaren Substanzklasse. Vor allem Antikörper-Wirkstoff-Konjugate eröffnen neue Chancen für innovative Krebstherapien. Gleichzeitig stärkt der Erfolg von Schinzers Team die internationale Sichtbarkeit von Magdeburg als Standort exzellenter Forschung.

Als Werner-von-Siemens-Fellow steht Prof. Dr. Schinzer für visionäre, interdisziplinäre Forschung, die Geduld, Kreativität und Methodik vereint. Sein Erfolg verdeutlicht, wie wissenschaftliche Exzellenz konkrete Perspektiven für die Gesellschaft schafft und wie die Stiftung bahnbrechende Entwicklungen sichtbar macht.