Werner von Siemens war ein Vorreiter für die Verbindung von Forschung und Anwendung. Sein Ziel: Innovationen, die nicht nur Unternehmen, sondern zuallererst den Menschen dienen. Sein Lebenswerk mit diesem Credo wirkt weit über seine eigene Lebenszeit hinaus. Werner von Siemens‘ Leistungen sind beispielhaft für das, was heute für viele Forschende Leitmotiv für Innovationskraft ist. In dieser Tradition ehrt die Stiftung Werner-von-Siemens-Ring wegweisende Innovator:innen, die unsere Welt von morgen gestalten.

Wer neu und anders denkt, kann die Welt verändern.
Werner von Siemens
Leben: Familienmensch, Erfinder, Unternehmer
Dem jungen Werner Siemens wurden weder der Adelstitel noch das Unternehmertum in die Wiege gelegt – vielmehr entstammte er eher bescheidenen Verhältnissen. Als Kind musste er mit seiner Familie umziehen, weil sie, gebeutelt von einer europaweiten Krise für die Landwirtschaft, mit den Pachtzahlungen in Rückstand geraten war.
Obwohl Werner das Gymnasium ohne Abschluss verließ, wollte er studieren. In seinem Elternhaus wurde viel Wert auf Bildung gelegt, seine Eltern konnten jedoch ein Studium nicht finanzieren. Deshalb bewarb sich Werner Siemens im Alter von 17 auf Rat eines Bekannten beim Militär, wo er als Offiziersanwärter eine naturwissenschaftliche Ausbildung erhielt.
Werner wuchs in einer kinderreichen Familie auf und übernahm bereits in jungen Jahren viel Verantwortung für seine jüngeren Geschwister. Bis zu seiner Heirat im Alter von 36 Jahren war sein Privatleben von der Gemeinschaft mit seinen jüngeren Brüdern geprägt. Die Brüder waren wie er selbst nicht verheiratet. Der „eingewurzelte brüderliche Zimmerkommunismus“, wie Werner Siemens das Miteinander einmal bezeichnete, prägte seinen Lebensstil.
Im Jahr 1852 heiratete Werner Siemens seine entfernte Verwandte Mathilde, was damals im Bürgertum üblich war. Zumindest zu Beginn handelte es sich hierbei um eine Vernunftehe. Gleichzeitig wurde Werner Siemens ebenso wie seinem Vater zugeschrieben, ein liebevoller Vater und Ehemann zu sein. Die Eheleute Siemens bekamen vier Kinder, zuerst zwei Söhne, dann zwei Töchter. Da Mathilde an der damals verbreiteten Krankheit Tuberkulose erkrankte, musste sie sich mit den Kindern in zahlreichen Kurorten und Sanatorien aufhalten. Deshalb und wegen seiner internationalen unternehmerischen Tätigkeiten sollte Werner Siemens seine Familie nicht sehr regelmäßig zu sehen bekommen. 1865 verstarb Mathilde.
Obwohl er zunächst kundgetan hatte, nicht noch einmal heiraten zu wollen, heiratete er am 13. Juli 1869 erneut. Mit seiner entfernten Nichte Antonie Siemens führte eine wohl glückliche Ehe, aus der zwei weitere Kinder – Hertha und Carl – hervorgingen. Die Familie lebte im Landhaus in Berlin-Charlottenburg, das Werner Siemens Anfang der 1870er-Jahre zu einer großzügigen Industriellen-Villa inklusive Tanzsaal ausbauen ließ. Dort fanden zahlreiche große und gesellschaftlich relevante Feste statt.
Für seine Verdienste um Wissenschaft und Gesellschaft wurde er 1888 in den Adelsstand erhoben und hieß fortan Werner von Siemens.
Arbeiten: von der Hinterhofwerkstatt zum Weltkonzern mit sozialer Verantwortung
Sein naturwissenschaftliches Wissen wollte Werner von Siemens seit jeher in konkrete Anwendungen überführen. Beispielsweise versuchte er, ein galvanisches – also auf elektrochemischer Abscheidung basierendes – Vergoldungsverfahren zu entwickeln. Es gelang ihm, damit zuerst einen Teelöffel aus Neusilber zu vergolden, dann auch seine Taschenuhr. Schließlich war sein Verfahren so ausgereift, dass ihm hierfür am 29. März 1842 sein erstes Patent erteilt wurde.
Werner von Siemens beschäftige sich mit mehreren Erfindungen, der Durchbruch kam dann mit der Telegrafie, auf die ihn ein Bekannter gebracht hatte. Wie viele Innovationsgeschichten hatte Werner von Siemens Unternehmung mit dieser Technik einen schwierigen Start: Er hatte zwar einen verbesserten Telegrafen entwickelt , konnte diesen aber nicht alleine bauen. Er ging also ein erhebliches Risiko ein, als er ein Unternehmen gründete: Es war bis zu dem Zeitpunkt der Gründung noch keiner von seinen verbesserten Telegrafen gebaut worden. Außerdem lag das Monopol auf Telegrafie bis dato beim Militär.
Auf der Suche nach einem Geschäftspartner für die Rolle des Konstrukteurs wurde Werner von Siemens auf Johann Georg Halske aufmerksam gemacht. Ein Glücksfall: Halske war nicht nur Feinmechaniker, sondern lieh dem gemeinsamen Unternehmen seinen Namen, da Siemens zu dem Zeitpunkt noch in der Armee war. Die Firma startete als Werkstatt im Hinterhaus in der Schöneberger Straße 19 in Berlin – im heutigen Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg – und die Adresse diente Halske und Siemens gleichzeitig als Wohnung.
Die Telegrafenkommission beauftragte schließlich das Unternehmen von Siemens & Halske damit, eine Nachrichtenverbindung zwischen Berlin und Frankfurt am Main herzustellen, weil dort seit Mai 1848 die Deutsche Nationalversammlung tagte. Bereits im Vorfeld hatte die Kommission entschieden, die Frankfurter Linie mit Zeigertelegrafen und Kabeln mit einer besonderen „Guttapercha-Isolierung“ auszustatten. Dies war ein Alleinstellungsmerkmal der Kabel von Siemens & Halske: Dank eines Hinweises des in London lebenden Siemens-Bruders William wusste Werner um die besonderen Eigenschaften der Guttapercha, eines gummiartigen Stoffes aus Südostasien. Auf dessen Basis war es ihm gelungen, ein Verfahren zur nahtlosen Ummantelung kupferner Telegrafendrähte zu entwickeln. Für die Isolierung der unterirdisch verlegten Nachrichtenkabel erwies sich diese Methode als die zu jener Zeit beste Technik.
Geschäft und Familie waren für Werner von Siemens untrennbar miteinander verbunden; gleich mehrere der Siemens-Geschwister arbeiteten in der Firma mit. Dank des Zusammenhalts der Brüder Werner, William und Carl, die in Berlin, London und St. Petersburg tätig waren, entstand ein multinationales Familienunternehmen, dessen Namen bis heute weltweit erfolgreich und bekannt ist.
Großer Erfolg führte bei Werner von Siemens auch zu großem Verantwortungsgefühl: Die Arbeiterschaft von Siemens & Halske hatte ursprünglich aus wenigen Handwerkern bestanden, die dem Betrieb treu verbunden waren. Mit dem wachsenden Auftragsvolumen Anfang der 1870er Jahre galt es, auch zahlreiche ungelernte Arbeiter einzustellen, die in der Regel keine langfristigen Bindungen an ein Unternehmen entwickelten und häufig den Arbeitgeber wechselten.
In den 1880er-Jahren hatte Reichskanzler Otto von Bismarck die Krankenversicherung und die Unfallversicherung eingeführt. Dadurch erkannte Werner von Siemens, dass sich soziale Leistungen nicht nur für die Belegschaft, sondern auch für das Unternehmen rechneten. Anlässlich des 25-jährigen Unternehmensjubiläums im Oktober 1872 gab er die Gründung einer Pensions-, Witwen- und Waisenkasse für alle Beschäftigten in Berlin, London und St. Petersburg bekannt. Die Arbeiter hatten nun Anspruch auf eine Pension, deren Höhe sich nach der Betriebszugehörigkeit berechnete. Darüber hinaus sollten die betrieblichen Sozialleistungen die Akkordarbeit erleichtern.
Politisches Wirken
Werner von Siemens begann Anfang der 1860er Jahre, sich politisch zu betätigen – vor allem im Sinne eines geeinten Deutschlands mit freiheitlicher Verfassung unter der Führung Preußens. Auch als international tätiger Unternehmer war er ein begeisterter Anhänger der deutschen Nationalbewegung. Im Jahr 1861 gehörte er zu den Gründern der liberal und national ausgerichteten Deutschen Fortschrittspartei. Für diese wurde er im folgenden Jahr als Abgeordneter des Wahlkreises Solingen in die preußische Volksvertretung gewählt.
Werner von Siemens unterstützte den damaligen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck. Er war damit auch daran beteiligt, den sogenannten preußischen Verfassungskonflikt beizulegen, der im Zuge einer Heeresreform Bismarcks entstanden war. Anschließend legte Werner von Siemens sein Mandat als Volksvertreter nieder.
Seinen Einfluss und sein Gespür für politische Schreiben setzte Werner von Siemens danach erfolgreich für eine Reform des veralteten Patent-Gesetzes ein. Der Reichstag verabschiedete das Patentgesetz, das am 1. Juli 1877 in Kraft trat. Darin wurde die Gründung eines Patentamts festgehalten. Außerdem wurde die Laufzeit von Patenten auf 15 Jahre festgesetzt und sie wurden nicht mehr dem Erfinder, sondern dem Anmelder erteilt. Auf Basis dieses Gesetzes stiegen die Zahlen von Patentanmeldungen rasant an. Einiges spricht dafür, dass dieses Gesetz die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands maßgeblich förderte. Der Präsident des neuen Kaiserlichen Patentamts berief Werner von Siemens am 1. Juli 1877 zum nicht ständigen Mitglied der Behörde. Damit ging seine Ernennung zum sogenannten Geheimrat einher.
Förderer von Forschung
Werner von Siemens zählte nicht zu den Unternehmern, die große Summen spendeten, dennoch setzte er sich mit steigendem Reichtum für die Förderung der naturwissenschaftlichen Forschung ein. Er war überzeugt, dass mit den rasanten Fortschritten in Physik, Chemie und Medizin ein naturwissenschaftliches Zeitalter angebrochen war. Im Juli 1883 bot Werner von Siemens dem preußischen Kultusminister die Schenkung eines Grundstücks im Wert von rund 200.000 Mark für die Gründung eines „Staats-Instituts für Experimentalphysik« an. Ein halbes Jahr später erhöhte er das Angebot um 300.000 Mark für den Bau eines Institutsgebäudes auf diesem Grundstück, das sich in unmittelbarer Nähe seiner Charlottenburger Villa befand. Da sich die preußische Regierung unentschlossen zeigte, richtete er das Angebot an den Innenminister.
Gemeinsam mit seinem Freund Hermann von Helmholtz musste Werner von Siemens einige Hindernisse überwinden, bevor der Reichstag im März 1887 der Gründung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt zustimmte. Bis heute sind ihre Nachfolgeorganisation – die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und die Stiftung Werner-von-Siemens-Ring eng verbunden. Die Präsidentin oder der Präsident der PTB übernimmt ebenso den Stiftungsratsvorsitz der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring.
Er engagierte sich noch bis ins hohe Alter von 74 Jahren für sein Unternehmen, bevor er als Gesellschafter ausschied und sich seinen Memoiren widmete. Am 6. Dezember 1892 verstarb Werner von Siemens in seiner Villa im Kreis der Familie.
Als hauptsächliche Quelle für diesen Beitrag diente: Siemens Historical Institute (Hrsg., 2016): Werner von Siemens. Reihe: Lebenswege.