Foto von Artur Fischer
Ringträger 1990

Artur Fischer

* 31. Dezember 1919 in Tumlingen/Schwarzwald, † 27. Januar 2016 in Waldachtal

Artur Fischer erhielt den Werner-von-Siemens-Ring für seine zahlreichen technischen Innovationen und deren erfolgreiche unternehmerische Umsetzung.
Vom Schlosserlehrling zum ideenreichen Erfinder und zum Gründer der Fischerwerke mit eigenem Forschungs- und Entwicklungszentrum

Als Professor Dr. phil. h.c. Artur Fischer am 12. Dezember 1991 im Stuttgarter Neuen Schloss mit dem Ehrenring der „Stiftung Werner- von-Siemens-Ring“ ausgezeichnet wurde, konnte er auf ein erfolgreiches Leben als Erfinder und Firmengründer zurückblicken, dessen Beginn durch die entbehrungsvollen und politisch belasteten Jahre zwischen zwei Weltkriegen und die schwierige Aufbauzeit im zerstörten Deutschland nach dem letzten Weltkrieg geprägt ist.

Artur Fischer wurde am 31. Dezember 1919 in Tumlingen geboren, einem kleinen Ort nahe Freudenstadt im Schwarzwald. In seinen Dankworten nach Überreichung des Ehrenringes für Verdienste um Naturwissenschaft und Technik bekennt er, wie sehr das Elternhaus und Kindheitserlebnisse seine Einstellung zu anderen Menschen und zur beruflichen Kreativität geprägt haben. Fischers gütige Mutter entstammte einer Familie, aus der viele tüchtige Techniker hervorgegangen sind.

Sein wohl recht strenger Vater unterhielt in Tumlingen eine Schneiderwerkstatt. Von den auf gut schwäbisch an seinen Sohn gerichteten Grundsätzen ist Artur Fischer die Mahnung in Erinnerung geblieben: „Geb nia oam a Bürgschaft, no geb ihm liaber gleich s’Geld“. Der Dorfschreiner in Tumlingen fand offenbar Gefallen an dem aufgeweckten Jungen. Er ließ ihn in seiner Schreinerei werkeln, auch wenn er manchmal feststellen musste, dass einer seiner Hobel stumpf geworden war. Auch später in der Realschule in Dornstetten nahm sich der technisch interessierte und bastelfreudige Rektor der Schule seiner an und führte ihn in die Experimentierkunst ein. Danach absolvierte Fischer in Stuttgart eine Schlosserlehre, die ihn schon früh mit der Berufspraxis in Verbindung brachte. Dann aber zogen sich dunkle Wolken über Deutschland zusammen.

1938 wurde Artur Fischer zunächst zum Arbeitsdienst, dann zur Luftwaffe eingezogen, wobei es sicher ein glücklicher Umstand war, dass er dank seiner technischen Vorbildung und Begabung im Werftzug eines Jagdgeschwaders arbeiten konnte. Dennoch geriet er nach Kriegsende in englische Gefangenschaft, aus der er 1946 entfliehen konnte. Das war die „Stunde Null“ für ein Deutschland, in dem fast alle Städte zerbombt waren, Millionen vertriebener Flüchtlinge eine neue Heimat finden mussten und Hunger und Arbeitslosigkeit herrschten. Die alte Reichsmark war wertlos geworden, und geringe Mengen an Lebensmitteln gab es nur gegen Bezugsmarken oder im Tauschhandel auf dem „Schwarzen Markt“. Auch technische Arbeitsmittel und Haushaltsgeräte wie Feuerzeuge, Glühbirnen oder Schalter waren nur so zu beschaffen. Da war es wieder eine glückliche Fügung, dass Artur Fischer die Bekanntschaft eines promovierten Ingenieurs machte, der – aus der Not geboren – in Freudenstadt eine kleine, aber recht kreative Elektrofirma aufgemacht hatte und Fischer mit interessanten Sonderaufgaben betraute.

Mit der Währungsreform vom 20. Juni 1948, der Neuordnung des Geldwesens in den drei westlichen Besatzungszonen durch Einführung der Deutschen Mark, lohnte es sich dann wieder, dringend benötigte Güter zu produzieren und marktgerecht zu verkaufen. Das war auch der Beginn für die Firma Fischer, die mit der Produktion von Schaltern und Blitzlichtgeräten für Kameras in angemieteten Räumen begann. Als Rohstoff dienten u. a. Kartuschen von liegengebliebenen Granaten. Auch elektrische Feuerzeuge gehörten zu den ersten Produkten der Firma, die sich rasch auf mehrere Mitarbeiter erweiterte.

Der entscheidende technische und kommerzielle Durchbruch der jungen Firma Artur Fischer vom Handwerksbetrieb zum industriellen Unternehmen kam jedoch erst durch die patentrechtlich 1949 gesicherte Erfindung eines Blitzgerätes, das die Belichtung auf elektrischem Wege mit der Öffnungsbewegung des Objektivverschlusses von Kameras koppelte. Dieses Blitzlichtgerät erregte auf der photokina 1950 die Aufmerksamkeit eines Weltunternehmens, das die von Jahr zu Jahr steigende Produktion der Blitzlichtgeräte aufkaufte. Allein durch diese Produktion konnte die Firma von 10 Mitarbeitern im Jahre 1950 auf 200 Mitarbeiter im Jahre 1958 wachsen.

Ein weiterer Ausgangspunkt für die Firmenentwicklung war die 1961 patentierte Erfindung des Nylonspreizdübels. Damit leitete Artur Fischer eine Befestigungstechnologie ein, die das Bauwesen und die Heimwerkertechnologie in den folgenden Jahrzehnten verändern sollte. Später kam dann noch Stahl als weiterer Werkstoff für besondere Schwerlastbefestigungen hinzu. Mit weit über 100 unterschiedlichen Dübelarten standen die Fischerwerke bald weltweit in vorderster Position.

Ein zweites wichtiges Standbein der Fischerwerke entstand aus der Entwicklung eines „intelligenten Spielbaukastens“, der nicht nur für Kinder und Jugendliche geeignet war, sondern auch den Ablauf von Produktionsvorgängen modellhaft darstellen konnte. Ursprünglich von Fischer als originelles Geschenk für Kunden mit bastelfreudigen Kindern gedacht, entwickelte sich aus den durch Nuten und Zapfen verbundenen Grundbausteinen ein komplexes System, in das u. a. auch Motoren, Getriebe sowie elektromechanische und elektronische Elemente einzubauen waren. Heute ist die „Fischertechnik“ ein Konstruktionssystem, mit dem sogar Modelle komplexer Anlagen der Großtechnik gebaut werden können.

1998 erfindet er ein weiteres Spielzeug, dem er den Namen TiP gibt. Die Idee dazu entstand aus der Beobachtung, dass farbige Flocken aus Kartoffelstärke sich in angefeuchtetem Zustand zu Ritterburgen, Pirateninseln oder Raumschiffen verarbeiten lassen. Die Zusammenfassung von Fischertechnik und TiP zu einer Spiellandschaft eröffnet der Phantasie von Kindern einen neuen Horizont.

Eine der letzten innovativen Entwicklungen von Artur Fischer kam durch den zufälligen Besuch eines renommierten Straßburger Professors für Orthopädie und Knochenchirurgie auf dem Messestand einer Baumesse zustande. Bei Schenkelhalsbrüchen war es bis zu diesem Zeitpunkt üblich, mit sogenannten „Nägeln“ zu arbeiten, um die Bruchstellen zu fixieren. Ungenügende Kompression der Bruchstelle verursachte mangelnde Durchblutung beim Zusammenwachsen. Artur Fischer entwickelte deshalb zusammen mit dem Straßburger Bürgerhospital spezielle Knochendübel aus Edelstahl, mit denen die Bruchstellen fest zusammengezogen, besser durchblutet und damit schneller wieder zusammenwachsen konnten. Das war eine wichtige Revolution der Knochenchirurgie, die später in Zusammenarbeit zwischen der Firma Fischer und orthopädischen Instituten des In- und Auslandes – insbesondere mit der Universitätsklinik Tübingen – weiter verbessert werden konnte.

Fischer konnte bei der Annahme des Werner- von-Siemens-Ehrenringes mit Stolz auf die mehr als 4000 Patente und Innovationen zurückblicken. Wie es die Verleihungsbedingungen verlangen, hat er „durch seine Leistung die technischen Wissenschaften gefördert“ und „durch seine Forschung der Technik neue Wege erschlossen“.

Kurzbiographie

1933-1937 nach Abschluss der Realschule, Absolvierung einer Schlosserlehre in Stuttgart.

1938-1946 Wehrdienst bei der Luftwaffe, zuletzt als Techniklehrer einer Flugzeugführerschule.

1946-1947 Mitarbeit in einem Elektrogeschäft in Freudenstadt.

1948 Gründung einer eigenen Firma in Hörschweiler und Entwicklung von Blitzgeräten und Webstuhlschalter.

1950 Umzug von Hörschweiler nach Tumlingen und Erweiterung der Produktion auf Befestigungselemente (Fischer-Dübel) und Konstruktions-Spielbaukästen.

1976 Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Universität Gießen.

1977 Berufung zum Ehrensenator der Universität Stuttgart.

1979 Übergabe der Geschäftsführung der Fischerwerke an Sohn Klaus Fischer und Wechsel in das neu erbaute Forschungs- und Entwicklungszentrum der Firma.

1984 Aufnahme in die Ehrengalerie der Erfinder im Deutschen Patentamt München.

1986 Auszeichnung mit dem Ehrentitel „Professor“ durch das Land Baden-Württemberg.
Alle Ringträger:innen

2022 Stefan Hell

2022 Uğur Şahin, Özlem Türeci, Christoph Huber, Katalin Karikó

2020 Jens Frahm

2017 Hasso Plattner

2017 Joachim Milberg

2015 Martin Herrenknecht

2011 Manfred Fuchs

2011 Hermann Scholl

2008 Bernard Meyer

2005 Berthold Leibinger

2002 Jörg Schlaich

1999 Dieter Oesterhelt

1996 Carl Adam Petri

1993 Eveline Gottzein

1990 Artur Fischer

1987 Rudolf Schulten

1984 Fritz Peter Schäfer

1981 Hans Scherenberg

1978 Rudolf Hell

1975 Wernher von Braun , Walter Bruch

1972 Ludwig Bölkow , Karl Winnacker

1968 Karl Küpfmüller , Joachim Siegfried Meurer

1964 Fritz Leonhardt , Walter Schottky , Konrad Zuse

1960 Otto Bayer , Walter Reppe , Karl Ziegler

1956 Jonathan Zenneck

1952 Hermann Röchling

1941 Walther Bauersfeld

1937 Fritz Todt

1933 Wolfgang Gaede

1930 Hugo Junkers

1927 Oskar von Miller

1924 Carl Bosch

1920 Carl Auer von Welsbach

1916 Carl von Linde