Stefan Hell
* 1962 in Arad
Stefan Hell
* 1962 in Arad
Der Stiftungsrat der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring beschloss am 14. Dezember 2021 in geheimer Wahl, den Werner-von-Siemens-Ring – Ehrenring für Verdienste um Naturwissenschaft und Technik – an Stefan Hell zu verleihen: für seine bahnbrechende Weiterentwicklung der optischen Mikroskopie, die den hochaufgelösten Blick in die Nanowelt lebender Zellen eröffnet.
Prof. Dr. Dr. Stefan W. Hell ist der Wegbereiter der Superauflösungs-Fluoreszenzmikroskopie. Mit der Entwicklung des Superresolution STED-Mikroskops (STimulated Emission Depletion) in den 90er Jahren hat er als Erster gezeigt, dass die Lichtbeugung, die der Lichtmikroskopie bis dahin eine unüberschreitbare Grenze in der Auflösung setzte, komplett umgangen werden kann. Durch das STED-Mikroskop ist es möglich zu beobachten, wie Proteine auf der Nanoskala in der Zelle angeordnet sind und wie diese aufeinander wirken. Wissenschaftler können so die molekularen Mechanismen von Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson oder Krebs besser verstehen. Auch die dynamischen Veränderungen von Neuronen-Strukturen im Gehirn, die sich zum Beispiel während Lernprozessen abspielen, lassen sich anhand seiner Fluoreszenzmikroskopie viel genauer verfolgen.
„Die verschiedenen entwickelten Hochleistungssuperresolution-Mikroskope und Fluoreszenzlabel, die jetzt für alle Wissenschaftler verfügbar sind, stellen einen großen Durchbruch für die optische Mikroskopie dar und lassen weitere aufregende Entdeckungen und Einsichten in den Lebens- und Materialwissenschaften erwarten. Wir würdigen diese herausragende Lebensleistung von Stefan Hell in den technischen Wissenschaften mit der Verleihung des Werner-von-Siemens-Rings.“
Prof. Dr. Joachim Ullrich
Vorsitzender des Stiftungsrates
Eine Idee. Eine Theorie und ein Ziel. Rückschläge – und ein bahnbrechender Erfolg. Die Karriere von Nobelpreisträger Stefan Hell ist der beste Beweis dafür, dass sich Originalität gepaart mit Zielstrebigkeit auszahlen. An seine Idee, eine über hundert Jahre alte Schärfe-Grenze der Lichtmikroskope aufzuheben, glaubte zunächst niemand. Doch jahrelange Überlegungen, Berechnungen und Experimente bewiesen schließlich, dass er Recht hatte. Der Lohn war nicht zuletzt der Nobelpreis für Chemie 2014. Dass seine „super-scharfen Mikroskope“ auch im Alltag von Bedeutung sind, hat er außerdem durch die Gründung zweier Unternehmen bewiesen.
Als Stefan Hell 1962 in Rumänien geboren wird, ist Bildung der einzige bleibende Wert, den ihm seine Eltern vermitteln können. Schon als Kind saugt der spätere Physiker alles an Wissen auf, was ihm in die Hände fällt. Er liest Enzyklopädien und sitzt lieber bei seiner Mutter – einer Lehrerin – im Unterricht, als in den Kindergarten zu gehen. Er wächst als Angehöriger der deutschen Minderheit auf und besucht ab dem Alter von 14 Jahren eines der besten deutschsprachigen Gymnasien des Landes. 1978 siedelt die Familie nach Deutschland um. Stefan Hell lebt sich nicht nur schnell in der neuen Heimat ein, sondern kann seinen Wissensdurst nun ungehindert stillen. Etymologie und Linguistik werden zu seinen Hobbies, die Physik aber bleibt seine Leidenschaft.
1981 beginnt Stefan Hell sein Physikstudium in Heidelberg, schließt mit dem Diplom ab und wendet sich bereits in seiner Dissertation der Lichtmikroskopie zu. Sein eigentliches Ziel, nämlich die Bildschärfe der Lichtmikroskopie um ein Vielfaches zu erhöhen, kann er allerdings erst nach der Promotion verfolgen. Zunächst ist er auf sich gestellt, denn er findet für seine Ideen wenig Unterstützung. Sie gelten als physikalisch unmöglich. Nur mit finanzieller Hilfe seiner Großeltern gelingt es ihm, ein erstes Patent anzumelden, und ein Bein in die Fachwelt zu bekommen. Da er auch danach in Deutschland keine Perspektiven findet, wechselt Stefan Hell an eine Universität in Finnland. 1997 wird er in Deutschland als origineller Querdenker entdeckt, und zwar vom Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Dort konnte er 1999 seine kühnen Ideen experimentell bestätigen.
Seit 2002 ist Stefan Hell Direktor des Göttinger Max-Planck-Instituts, seit 2015 auch Direktor am Max-Planck-Institut für medizinische Forschung in Heidelberg. An den Universitäten Heidelberg und Göttingen wurde er zum Professor für Physik ernannt. Rufe ins Ausland, wie zum Beispiel an die Harvard-Universität, lehnte er ab.
Mit seinen Mikroskopieverfahren hat Stefan Hell als Erster gezeigt, dass die Auflösung eines Lichtmikroskops nicht – wie man vorher dachte – fundamental begrenzt ist, sondern im Fall der Fluoreszenzmikroskopie prinzipiell bis auf Molekülgröße gesteigert werden kann. Dafür erhielt er viele Preise wie zum Beispiel den Deutschen Zukunftspreis. Im Jahr 2014 wurde ihm für die Entwicklung superauflösender Fluoreszenzmikroskopie zusammen mit Eric Betzig und William E. Moerner der Nobelpreis für Chemie zuerkannt. Durch seine Entdeckung werden Einblicke in die Abläufe in lebenden Zellen möglich, die vorher nicht denkbar waren.
Mit der Konzeption der MINFLUX– und MINSTED-Nanoskopie erweiterte Hell ab 2011 die Auflösung der fernfeldoptischen Nanoskopie noch einmal um eine Größenordnung in den Bereich von 1 Nanometer und damit in den absolut molekularen Bereich. Mit MINFLUX und MINSTED wird auch die Beobachtung von Molekülbewegungen mit bisher nicht gekannter Genauigkeit ermöglicht.
Für die Umsetzung seiner Forschungen in die unternehmerische Praxis wurde Stefan Hell vom Manager Magazin 2014 in die “Hall of Fame“ deutscher Erfinder aufgenommen. Im Jahre 2015 zeichnet ihn die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst and Young als “Enterpreneur of the Year” im Bereich Neugründungen aus.
Zur Pressemitteilung vom 31. Januar 2022 (pdf)
To the press release of January 2022 31, 2022 (pdf)
Die Stiftung Werner-von-Siemens-Ring zeichnet 2022 gleich zwei bahnbrechende Leistungen in den technischen Wissenschaften aus: Uğur Şahin, Özlem Türeci, Christoph Huber und Katalin Karikó haben mit ihrer erfolgreichen Arbeit an mRNA-Wirkstoffen ein neues Zeitalter der Medizin begründet und erhielten ebenfalls einen Werner-von-Siemens-Ring. Hier erfahren Sie mehr über die Forscherinnen und Forscher hinter dem Biotechnologieunternehmen BioNTech.