Stiftung Werner-von-Siemens-Ring | Schlusswort Nathalie von Siemens Verleihung Werner-von-Siemens-Ring 2022

„Sie stimmen zuversichtlich.“ – Schlusswort von Nathalie von Siemens zur Ringverleihung 2022

Foto von Nathalie von Siemens am Rednerpult zur Verleihung des 40. und 41. Werner-von-Siemens-Rings 2022. Links unten die Wort- und Bildmarke der Stiftung Werner-von-Siemens-Ring

Am 13. Dezember wurden der 40. und 41. Werner-von-Siemens-Ring verliehen. Zum einen an Prof. Dr. Stefan Hell vom Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften für die Entwicklung der Nanomikroskopie, die den Blick auf die molekulare Ebene in lebenden Zellen erlaubt. Zum anderen an das BioNTech-Team bestehend aus Prof. Dr. Christoph Huber, Prof. Katalin Karikó, PhD, Prof. Dr. Uğur Şahin und Prof. Dr. Özlem Türeci für die Erschließung der mRNA-Technologie, die damit ein neues Zeitalter der medizinischen Praxis eröffnet haben.

Nathalie von Siemens beschloss den Abend als Vertreterin ihrer Familie und stellte die Errungenschaften der Preisträger:innen in die Tradition ihres Ururgroßvaters Werner von Siemens als Vorbild eines Forschers, der auf unternehmerischem Weg Fortschritt zu den Menschen bringt. Hier können Sie ihr Schlusswort nachlesen und in der Aufzeichnung des Livestreams ansehen.

Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen?

Sehr geehrte Ringträgerinnen und Ringträger, sehr geehrte Festgäste,

diese drei Fragen sind nach Kant die grundsätzlichen Fragen von uns Menschen. Eine Antwort auf diese drei Fragen ist auch eine Antwort auf die Frage: Was ist der Mensch?

Die vermeintliche Einfachheit der Fragen macht die Antworten nicht leichter. Was wir zur Zeit auf dieser Welt erleben, lässt zudem viele zweifeln, ob wir Menschen prinzipiell irgendeiner der optimistischeren oder sympathischeren Antworten gerecht werden können.

Und dann dürfen wir Ihnen begegnen, den diesjährigen Werner-von-Siemens-Ringträgerinnen und -Ringträgern. Sie geben naturwissenschaftliche, technische und unternehmerische Antworten auf diese grundsätzlichen Fragen. Und Sie stimmen zuversichtlich. Denn Sie haben positive Wirkung.

Zunächst einmal positive Wirkung mit Blick auf die Frage nach dem Wissen. Noch vor weniger als einer Generation stand die Krebsforschung zu wirksamen und verträglichen mRNA-Immuntherapien vor gewaltigen Herausforderungen. Die Superauflösungsmikroskopie galt schlicht als unmöglich. Und zwar aus prinzipiellen, naturwissenschaftlichen Gründen. Heute wissen wir dank Ihrer Forschung, wie wir diese Hürden überwinden.

Ihre Neugier, Ihr Forschergeist und auch Ihr Forschertrotz haben eine Verschiebung der Grenzen des Wissbaren bewirkt.

Mit neuem Wissen eröffnet sich auch oft eine Verschiebung der Grenzen des technisch Möglichen.

Wir alle hier in diesem – auch virtuellen – Raum, teilen vermutlich die Überzeugung, dass Technologie hilft. Außerhalb dieses Raumes ist es manchmal anders. Viele lehnen Technologie als bedrohlich ab – Sie nimmt mir meine Arbeit weg; autonome Fahrzeuge töten; und überhaupt, ich will keinen Microchip in meinem Kopf.

Andere glauben, dass Technologie alles kann. Die reine Magie. Auch die zweite Haltung ist falsch. Denn wenn Technologie alles kann, muss ich ja nichts mehr tun.  

Die Geschichte der Menschheit hat leider gezeigt, dass Erkenntnis nicht notwendigerweise auch zu entsprechendem Verhalten führt. Der Schritt vom Erkennen zum Wollen, vom Wissen zum Handeln braucht Mut und Kraft. Sie, sehr geehrte Ringträgerinnen und Ringträger, haben diesen Mut und diese Kraft. Sie alle haben Unternehmen gegründet, die technisch Mögliches wirklich werden lassen. Mit Hilfe von Technologie machen Sie das neue Wissen für viele Menschen nutzbar.

Dass eine Antwort auf die Frage, was ich tun soll, etwas mit dem Wohl von vielen anderen Menschen zu tun haben sollte, mag selbstverständlich scheinen. Es bleibt aber eine große Verantwortung. Nachhaltigkeit hat ja nicht nur etwas mit dem CO2-Fußabdruck zu tun. Besonders, wenn es darum geht, mit Neuem in der Breite zu wirken.

Sie alle tragen diese Verantwortung in vorbildlicher Weise. In Forschung und Unternehmertum agieren Sie in diversen Teams, in denen unterschiedliche Perspektiven aufeinandertreffen, Risiken abgewogen und vor allem Lösungen gefunden werden können. Zudem sind Sie in kontinuierlichem Dialog mit der wissenschaftlichen Community und mit der Politik sowie der breiten Öffentlichkeit. Auch, wenn dieser Dialog nicht immer einfach ist.

Die Wirkung Ihrer Arbeit gibt auch eine Antwort auf die dritte Frage: die nach der Hoffnung. Die deutsche Sprache unterstreicht semantisch im Begriff der „Wirklichkeit“ den Aspekt der Wirkung. Wirklich ist, was wirkt. Wer wirkt, beeinflusst die Wirklichkeit weit über sich selbst hinaus. Und wer Wirklichkeit positiv gestaltet, der macht Hoffnung.

Und was hat das alles mit Werner von Siemens zu tun?

Wir sind heute Teil eines Epochenwandels, wie ihn die Welt zuletzt im 19. Jahrhundert erlebt hat. Damals war es der Beginn der industriellen Revolution; mit ausgelöst durch Werner von Siemens.

Mein Ururgroßvater war ein brodelnder Geist. Als Erfinder und Unternehmer verband er das schiere Vergnügen an gelungenen Experimenten mit dem Ziel, durch Wissenschaft und Technik Nutzen zu stiften. Dabei war mein Ururgroßvater nicht allein. Nach Johann Georg Halske waren seine Brüder seine wichtigsten Partner. Menschen mit ganz unterschiedlichen Persönlichkeiten, Kompetenzen und Aufgaben, ein diverses Team.

Mit seinen Partnern verband Werner die menschliche Tiefe, bei Veränderungen nicht nur an Technologie und Geschäftsmodelle zu denken, sondern auch an ihre Wirkung auf die beteiligten Menschen und die Gesellschaft.

Heute ist es die Digitalisierung, die alles verändert: Die Grundlagen unserer Wirtschaft, die Art, wie wir zusammenarbeiten und kommunizieren, wie wir als Gesellschaften zusammenleben. Alles ist geprägt von Disruption und Beschleunigung.

Diese tiefgreifenden Veränderungen verunsichern viele und lösen Vertrauensverlust aus. Wie zur Zeit von Werner erleben wir eine dunkle Kehrseite des Epochenwandels: damals die sogenannte „soziale Frage“, heute die globalen Auswirkungen einer Pandemie, die sichtbare Klimakrise und eine drohende digitale Spaltung. Für viel zu viele Menschen auf dieser Welt sind Nahrung, Bildung, medizinische Grundversorgung, Einkommen durch eigene Arbeit und rechtsstaatlicher Schutz keine Selbstverständlichkeit.

Und wieder gibt es Krieg, auch ganz in unserer Nähe.

Deshalb brauchen wir Sie, sehr geehrte Ringträgerinnen und Ringträger. Sie machen Hoffnung auf eine Wirklichkeit, in der die Menschheit besser mit Viren, mit Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson und Krebs umgehen kann. Wie Werner von Siemens stehen Sie dafür, die Chancen eines Epochenwandels durch Naturwissenschaft, Technik und Unternehmertum für die ganze Menschheit nutzbar zu machen.

Es ist eine Ehre und eine Freude, anlässlich Ihrer Auszeichnung als Trägerinnen und Träger des Werner-von-Siemens-Rings sprechen zu dürfen. Auch im Namen meiner Familie darf ich Ihnen von Herzen zu Ihrer Würdigung gratulieren.

Aber noch einmal ganz kurz zu Kant. Er hatte nicht nur drei große Fragen. Er war überzeugt, dass es drei Dinge sind, die uns die Mühseligkeiten des Lebens besser ertragen lassen: die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen. Und vor allem Letzteres wünsche ich uns nach der Musik für ein fröhliches Feiern!

Aufzeichnung der Festveranstaltung

Schlusswort von Nathalie von Siemens ab 01:48:43.

Einen Beitrag mit Highlights und Videos der Veranstaltung finden Sie hier.