Stiftung Werner-von-Siemens-Ring | Ringverleihung 2018 – Bericht von Hasso Plattner

Ringverleihung 2018 – Bericht von Hasso Plattner

Prof. Dr. h. c. mult. Hasso Plattner
bei der Verleihung des Werner-von-Siemens-Ringes
an Joachim Milberg und Hasso Plattner
am 13. Dezember 2018
in Berlin

Herr Bundespräsident,

liebe Frau von Siemens,

Herr Ullrich,

vielen Dank für diese Auszeichnung. Als Sie mich angerufen haben, hat mich das sehr überrascht. Ich fühlte mich sehr geehrt und habe sofort gegoogelt. Was ist denn der Siemens-Ring? Wer hat ihn gekriegt? Naja, keine Frage, eine illustre Gesellschaft. Und heute in der Stiftungsratssitzung wurde ja auch das Thema angesprochen, wie sich eine solche Auszeichnung im Zuge der Machtverhältnisse – oder der politischen Verhältnisse – verschieben kann, wenn ich es mal so vorsichtig formuliere.

Ich bin sehr dankbar, dass ich in einer Zeit lebe, in der es diese potenzielle Gefahr nicht gegeben hat. Also, geboren 44 habe ich in meinem Leben im Wesentlichen in Frieden gelebt.

Mein Großvater war Maschinenbauingenieur. Mein Vater war Augenarzt. Und ich wusste nicht, was ich werden wollte. Also habe ich mein bestes Fach von der Schule genommen und mich in Karlsruhe für Physik eingeschrieben. Dann traf ich – noch in meiner, in der Stadt, in der ich Abitur machte, Konstanz am Bodensee – jemanden, der schon in Karlsruhe Physik studierte. Und der sagte mir, ich sollte nicht Physik studieren sondern Elektrotechnik. Es ist vor kurzem der Transistoren erfunden worden, der wird die Welt verändern und da sollte ich sofort draufzugehen. Also fuhr ich nach Karlsruhe und änderte meine Einschreibung von Physik nach Elektrotechnik. Fiel mir schwer am Anfang. Vieles im Studium in den ersten zwei Semestern war das Gleiche, was ich schon in der Schule hatte, also langweilig. Und dann gab es Fächer, die mich nicht so begeistert haben. Und die wurden auch klein gehalten in Karlsruhe. Darstellende Geometrie! Warum ein Elektrotechniker eigentlich zeichnen muss? Na gut.

Ich mache Vordiplom in Karlsruhe. Als Berliner, denke ich mir „Jetzt kannste doch wieder zurück nach Berlin“. Möchte mich also an der TU in Berlin einschreiben für das Hauptstudium Elektrotechnik. Und da ist eine lange Schlange und da ist eine Dame, die hinter einem kleinen Fenster sitzt und meine Zeugnisse anguckt und sagt: „Ja da fehlt ja Darstellende Geometrie!“. Und da sage ich: „Mit allem Respekt, aber ich studiere Elektrotechnik und jetzt Nachrichtentechnik und wir beschäftigen uns also mit den Transistoren.“ Nein, also ich müsste das nachholen und wenn ich das dann habe, dann kann ich wieder bei ihr vorbeikommen.

Das war mein Ende auf vom Berliner sein. Es ist wirklich so gekommen. Auf Wiedersehen. Wieder in den Zug. Zurück nach Karlsruhe in die von einer Berliner Perspektive vielleicht etwas Diaspora. Wir hatten damals 8.000 Studenten und vielleicht 80 Studentinnen an der Universität in Karlsruhe. Aber dennoch, ich muss heute sagen: Ich bin sehr dankbar für die Ausbildung, die ich genossen habe, insbesondere die Ausbildung im Hauptstudium. Und wir haben festgestellt in der Stiftungsratssitzung und gestern beim Abendessen, wie viele in Karlsruhe studiert haben und wie viele in Karlsruhe studiert hätten, wenn sie nicht in den Urlaub gefahren wären. Herr Ullrich hat die Einschreibefrist verpasst.

Ich habe also in Karlsruhe abgeschlossen. Ja, ich wollte eigentlich an der Hochschule weitermachen, habe aber mit dem damals relativ berühmten Professor Steinbruch in der mündlichen Prüfung, bin ich in einen Streit verfallen. Ich will den kurz erzählen, weil er für Elektrotechniker lustig ist. Damals wurden also Computerspeicherelemente mit Ferritkernen gemacht. Und je nachdem wie rum also nun die Magnetisierung des Ferritkerns war, wurde die 1 oder die 0 beschrieben. Und da fragt mich der Professor: „Was passiert denn…“ – das ist das, was ich gehört habe – „Was passiert denn, wenn der Ferritkern immer kleiner wird?“ Dann habe ich gesagt: „Dann wird die Hystereseschleife immer kleiner.“ Was soll ich auch anderes sagen. Wird ja immer kleiner! Er hat später gemeint, er hat gesagt: „Wenn der Ferritkern immer dünner wird…“. Und dann hätte ich sagen sollen: „Dann wird die Hystereseschleife immer steiler und immer rechteckiger.“ Also habe ich nur eine 2,5 bekommen. Das war ja nicht so schlimm. Aber meine drei Nachhilfeschüler haben alle eine 1 bekommen. Und einer davon sofort nach der Prüfung eine Doktorandenstelle.

Ich muss gestehen, dass ich Mühe hatte, das letzte Fach, was ich noch nicht mit einer Prüfung abgeschlossen habe, noch hinter mich zu bringen: Starkstrommotoren. Also für einen Nachrichtentechniker etwas Schwerfälliges. Also ich habe es hinter mich gebracht. Bin zu IBM gegangen. Warum bin ich zu IBM gegangen? Die haben 200 DM mehr geboten als Siemens. Heute, rückblickend, der Job bei Siemens wäre ungleich besser gewesen. Ich hatte damals das Angebot, nach Amerika zu gehen, in Amerika ein neues Betriebssystem – hieß dann später BS2000 – kennenzulernen, nach Deutschland zu bringen mit einem neuen Rechner der nächsten Generation. Und das habe ich eingetauscht – mit etwas mehr Anfangsgehalt bei der IBM. Wurde nach Mannheim vertrieben. Und wollte nach sechs Wochen kündigen.

Ich musste mit Maschinen arbeiten aus schwerem Eisen, in die man auf einer Seite die Lochkarten rein steckte. Und wenn die dann angeschlossen wurden an eine andere Maschine aus schwerem Eisen, die drucken konnte, dann konnte man also aus den Lochkarten und mit Hilfe eines sehr schlichten Steckmechanismus also etwas mit den Lochkarten machen, und das Ausdrucken auf dem Papier. Und ich hatte in Karlsruhe auf dem damals schnellsten deutschen Rechner arbeiten dürfen – außer Garching, die hatten noch einen schnelleren. Und also, ich bin zu meinem Chef gegangen und habe gesagt: „Also, das wird nix hier.“ Und das in der Weihnachtsfeier. Da hat er mich an die Hand genommen und sagt, also er stellt mir jetzt mal ein paar Leute vor, die auch aus Karlsruhe sind und die auch Elektrotechniker sind. Und ich sollte doch mal langsam machen. Und der eine, den er mir vorstellte, war der Dietmar Hopp. Und der sagte: „Mensch, also, komm jetzt bleib mal noch mal hier. Also, das gucken wir uns mal gemeinsam an.“ Und, er gab mir dann – ich blieb dann – gab mir dann in der nächsten Woche nach Weihnachten einen Schlüssel. Den Schlüssel zur Stockwerkbibliothek.

In jedem Stockwerk bei der IBM in Mannheim gab es eine kleine Stockwerkbibliothek. Ich kriegte diesen Schlüssel. Schloss auf. Musste die Newsletter, die von Amerika kamen, die englischen Newsletter, einsortieren. Also in die richtige Broschüre, an die richtige Seite. Die alte Seite raus, die neue Seite rein. Naja, so doll war die Tätigkeit nicht. Aber, ich fing an zu lesen, rechts und links. Also was war denn vor der Sache, die geändert wird, und hinterher und was wurde denn geändert. Oder manchmal gab es auch eine ganz neue Broschüre. Da gab es eine ganz neue Broschüre über einen Rechner, den es noch gar nicht gab. IBM 85. Der wurde dann später berühmt, weil er verboten wurde von Staatswegen zu bauen, wegen Überlappung mit Control Data Systems. Aber ich hatte diese Broschüren. Und das war die Zukunft von Rechnern für kommerzielles Rechnen. Wahrscheinlich für die nächsten zehn Jahre. Virtuelles Betriebssystem!

Ich lernte also auf indirekte Weise etwas kennen, was mich dann zwei Jahre später, oder drei Jahre später, in die Lage versetzte, mit Dietmar Hopp und drei anderen Kollegen die Systemanalyse und Programmentwicklung zu gründen. Und dann haben wir einfach angefangen zu bauen, Software zu bauen. Wir hatten vorher schon das Erlebnis, dass man nicht nur etwas bauen kann, was es schon gibt und verbessern, sondern dass man etwas ganz Neues machen kann. Das war mehr so unbewusst. Also, wir bauen das erste Realtime-Vertriebssystem in Deutschland. Das war noch unter der IBM. Und da haben wir gedacht: Also das kann man ja ausbauen. Und haben dann unheimliches Glück – also ich muss überhaupt erstmal Danke sagen, dass ich immer Glück gehabt habe. Also bis jetzt läuft alles mit Glück. Und jetzt ist auch noch die Firma, bei der wir arbeiten, ICI in Östringen, südlich von Mannheim, unsere Heimat.

Die ICI ermöglicht es uns, praktisch frei, uns zu entfalten und für sie Systeme zu bauen. Systeme, die dann Nutzen für die Mitarbeiter bringen oder Nutzen für die Firma. So bauen wir also unsere ersten Systeme, die dann später ERP-Systeme heißen. Wir bauen unsere ersten Systeme, die wir verkaufen. Wir waren damals gleichzeitig Softwareentwickler, Kundenberater und Vertriebler.

Dietmar war sehr gut im Vertrieb. Wir hatten in einem schwierigen Jahr 81 eine kleine Krise. Wer sich da erinnert, die IG Metall streikte. Und für sechs Monate gab es überhaupt kein Geschäft für uns im Maschinenbau. Und ich kam Weihnachten zur Weihnachtsfeier von drei Kundenbesuchen, sollte drei Abschlüsse bringen und brachte keinen. Das war eine Krise. Die sind alle später gekommen! Aber nicht zu diesem Zeitpunkt.

Wir haben uns davon berappelt. Eine Zeit, die heute gar nicht mehr geht. Denn wir haben von Anzahlungen gelebt und wir haben von Anzahlungen den Mitarbeitern eine Jahresprämie gegeben und haben halt auf unser Gehalt verzichtet.

Und so ist also aus dem R/1 ein R/2 geworden und später ein R/3, SAP nach Amerika gegangen. Ich bin mit dem R/3 nach Amerika gegangen und wir haben da einen ganz großen Erfolg gehabt. Es war wie im Flug zum Mond. Im August hatten wir typischerweise – das ist so 96 – das Ergebnis des Vorjahres schon überholt. Das heißt also, die nächsten vier Monate waren Nettogewinn. Wachstum! Wenn man so wächst, kann man ja managementmäßig gar nichts falsch machen, sondern nur anschnallen und den Steuerknüppel festhalten. Das änderte sich dann ein bisschen bei der Annäherung an das Jahr 2000. Alle hatten Angst davor, was passiert. Nichts ist passiert! Und danach sind wir in ein intellektuelles Loch gefallen. Was machen wir denn jetzt? Fast jeden Tag habe ich mit meinem damaligen Kollegen Henning Kagermann diskutiert. Können wir denn nochmal was Neues bauen? Müssen wir nicht was ganz anderes machen? Eine schwere Zeit!

Und damit komme ich zu meinen Beobachtungen, was in einem technischen Beruf im Ingenieurwesen aus meiner Sicht besonders wichtig ist. Natürlich die Fähigkeit, Sachen zu verstehen. Sachen, Dinge zu verbessern. Japanisches Kaizen, stückweises verbessern, wird zu einer neuen Qualität. Es ist aber eben nicht ausreichend.

Die Geschichte ändert sich so stark, dass es an bestimmten Punkten in der Geschichte – Andy Grove hat sie inflection points genannt – es nicht ausreicht, ein System einfach zu verbessern. Sondern man muss einmal grundsätzlich darüber nachdenken, ob man nicht was anderes machen muss, ja was anderes machen kann. Und dieses Ausbrechen an den inflection points, glaube ich, ist für einen Ingenieur oder die Ingenieure in einer Firma eine ganz wichtige Tugend.

Rückblickend kann ich sagen, dass wir fast alle inflection points ganz gut getroffen haben. Ich habe sie immer – war immer mein favorite Sport, den ich nie richtig ausgeübt habe, Wellenreiten – ich habe immer das Bild vor Augen gehabt: Man sitzt da draußen auf seinem Board, im Wasser, und wartet bis die richtige Welle kommt. Und wenn sie dann kommt, dann muss man Gas geben, um auf der Welle zu sein. Wer da nicht schnell paddelt, dann ist die Welle weg. Also den inflection point erahnen und dann aber mit aller Kraft voran.

Am besten haben wir das getroffen mit dem System R/3. Plötzlich werden die Computer kleiner, billiger. Jeder kann sich, oder viele können sich nun einen Firmencomputer leisten und damit explodierte unser Potenzial.

Wir haben in Rekordzeit, in 3 Jahren, ein neues System gebaut. Dieses System wurde dann Basis für den Welterfolg der SAP. Also, stetiges verbessern und gleichzeitig den Mut haben zu komplett Neuem. Wird übrigens erforscht und gelehrt an der Stanford Universität im Programm „Design Thinking“, wie man Leute befähigt, aus der Box heraus zu denken und, Herr Milberg, Sie hatten das ja auch so deutlich beschrieben.

Das Zweite ist das Arbeiten im Team. Wir Ingenieure erfinden nicht nur etwas, beschreiben etwas, sondern müssen es auch bauen und wir müssen es fertig bauen und es muss funktionieren am Ende um seinen Zweck zu erfüllen und in irgendeiner Weise oder Form einen Einfluss auf unser tägliches Leben zu haben und das zu verbessern. Das geht nicht mit Einzelkämpfern. Das geht nicht alleine, nicht mit Einzelkämpfern, sondern es muss im Team gearbeitet werden. Viel ist darüber geschrieben worden. Erfahrung, die wir gesammelt haben und immer wieder neu sammeln müssen, ist: Ja, Teams sind hierarchisch organisiert. Es muss einen Teamleiter geben. Aber eben, so wenig ausgeprägt wie möglich. So viel Mitnehmen der Anderen im Team. Again, in diesem Stanford „Design Thinking“ Programm wird geübt, wie die Teams möglichst flach bleiben, damit alle Teammitglieder zumindest das Potenzial haben, beizutragen und nicht versuchen müssen, der Hierarchie entlang zu folgen. Und immer wieder, wenn das passiert in einer Firma, die Hierarchieebenen wachsen, fängt eine Firma an zu verkrusten. Also ich habe das schon ein paar Mal erlebt und viele andere sicher auch, dass damit Innovationen, um die es nun geht, und das Bauen von innovativen Systemen behindert wird, weil nicht alle, die eigentlich was dazu beitragen könnten, es richtig können. Weil sie behindert werden durch die hierarchischen Ebenen, Angst haben, oder von jemandem, der sagt: „Das braucht man nicht.“ Auch das ist bei uns ganz häufig gewesen: „Also das braucht man nicht.“ „Also bei uns braucht man das nicht.“, wenn jemand eine Idee hatte, dass man etwas eigentlich anders machen müsste.

Also das muss man – wie das Erkennen von inflection points – das muss man früh üben in der Ausbildung und ich bin sehr froh, dass an vielen Stellen in der Ausbildung heute das Arbeiten im Team sehr weit vorne steht. Wir haben in Stanford gelernt, dass die Teams im Engineering zum Beispiel nicht nur aus Ingenieuren bestehen sollten. Also als erstes war es mal, dass die Teams geschlechterunabhängig sein sollten. Es ist immer gut, wenn ein paar Frauen im Team sind. Es hat kommunikationstechnische Vorteile. Und auch die Stimmung im Team ist vielleicht etwas weniger aggressiv.

Heute in unserer Disziplin – also der Software, benutzerorientierter Software – es geht nicht ohne die Benutzer, es geht nicht ohne die Doms [sic]. Das Domänenwissen derer, die dann die Software verwenden sollen. Wir bauen gerade in Potsdam an einem Patienteninformationssystem: Also die Informationen, die Patienten in ihrem Leben einsammeln, dass man die abspeichern und verwenden kann. Die, die sie verwenden werden, sind dann Mediziner. Und man kann ein solches System nicht bauen ohne Mediziner. Also habe ich als Erstes mal drei Lehrstühle in Potsdam eingerichtet für die Digital Health. Und jetzt kommen drei weitere in New York dazu, weil dort, Herr Steinmeier, die Gesetzgebung etwas anders ist bezüglich der Behandlung von sensiblen Daten. Es ist also nicht so, dass die Amerikaner damit locker umgehen, aber sie tun einem nicht Fußschellen und handcuffs anlegen, bevor man überhaupt angefangen hat. Also, das Bild, so schlimm ist es nicht. Aber das sind Probleme. Und das geht eben nur mit domain knowledge. Und wir müssen im Team zusammenarbeiten. Ganz interessant: Wir sprechen völlig unterschiedliche Sprachen. Mediziner und Informatiker, also die müssen erstmal lernen, dass Englisch nicht ausreichend ist.

Eine dritte Eigenschaft, die man als Ingenieur braucht, ist das Zuhören und das Verstehen, was Nutzer eigentlich haben wollen. Was ihnen gefällt, ob das bei ihnen im Auto ist oder bei uns am Bildschirm.

Wir Deutsche haben extreme Schwierigkeiten, mehr als andere, richtig auf Benutzer einzugehen. Wir glauben, wir deutschen Ingenieure glauben, wir wissen das eigentlich besser. Wir haben mal kurz studiert, was denn eigentlich die Sache ist und dann wissen wir das. Und dann machen wir das. Und dann bauen wir Systeme, die zu kompliziert sind, die nicht gemocht werden, die abgelehnt werden. Also, wir kämpfen seit 25, 30 Jahren an der Front, an der Benutzeroberfläche. Und obwohl wir gute Ingenieure sind: Da machen uns die Amerikaner was vor! Warum ist das am Anfang kein Problem gewesen für uns? Na ganz einfach: Wir haben in einer Firma gesessen. Wir haben mittendrin gesessen in den Leuten, die unsere Software bedient haben. Und wir haben jeden Tag gesehen, wie die eigentlich reagieren. Und wenn die Mundwinkel runter gegangen sind oder die knorrig gekocht haben, dann war also die Software nicht gut genug. Oder wenn die gesagt haben „High five!“, dann hat man also einen Hit gemacht. Wir brauchen dieses Feedback. Und wir brauchen das Verständnis, dass Benutzer eben nicht unerfahrene Menschen sind – wenn man die genügend trainiert, dann können die das schon, mit dem System umgehen. Also trainieren möchte heute keiner mehr. Auch ein Auto: Wenn man eins kauft, setzt mach sich rein und fährt. Da liest man doch nicht erst das Buch, oder? Also die Freude am Fahren kommt bei mir nicht beim Lesen vom Manual!

Und dann kommen wir zu einem Punkt – Herr Milberg hat das schon angesprochen, und ich habe also auch zurückgeblickt, die 45 Jahre: Wo sind denn Probleme entstanden? Probleme sind ganz oft entstanden, wenn die Wahrheit nicht die Basis der Kommunikation war. Wenn also Geschichten erzählt wurden, wenn – heute im neuenglisch – fake news verteilt wurden, oder auch nur wenn Botschaften gefärbt wurden. Das hat fürchterliche Einflüsse, negative Einflüsse auf die Entwicklung eines Produktes und führt letzten Endes zum Chaos. Und wir haben ja nun genügend gehört darüber in den letzten Monaten. Also, Engineering geht nur auf Fakten, so wahr, wie sie sind. Die müssen ausgetauscht werden. Und nicht politisch. Das ist jetzt nicht Ihre Politik, sondern firmenpolitisch eingefärbt werden. Das behindert, führt auf den falschen Weg und muss so wie die falschen Hierarchien immer wieder bekämpft werden.

Am Ende einer Engineering-Tätigkeit kann es die große Freude gebt. Nämlich die Freude, etwas erdacht zu haben, es gemacht zu haben, es gebaut zu haben und jetzt funktioniert es auch noch. Das kauft sogar einer! Wer mit der Eisenbahn gespielt hat, also wenn sie endlich zusammen gesteckt war und dann im Ring rumfuhr – meine war ganz klein. Ich hatte einen Klassenkameraden der hatte eine inklusive Krokodil, wer das noch kennt. Eine Eisenbahn, fantastisch! Er ist aber nicht Ingenieur geworden. – also die Freude am Bauen, etwas das dann funktioniert, also jeder der in die Informatik hineingeht und sein erstes Programm schreibt und sagt „Mensch, das funktioniert ja!“. Das tut was und funktioniert. Und da kommt ein Ergebnis raus und das stimmt sogar. Das ist ein Glücksgefühl. Es gibt andere Fächer, also das Bauen eines Hauses zum Beispiel, ist also auch eine Sache, die viel Spaß macht, wenn es dann steht und nicht zusammenfällt und nicht reinregnete. Also das Bauen macht uns Spaß. Das bauen von Dingen macht uns Spaß. Wenn es ein positives Feedback gibt von denen, die das was wir gebaut haben, nutzen. Aber, wir müssen als Letztes auch daran denken, dass wir eine soziale – und sie hatten das erwähnt – eine soziale Verantwortung tragen. Was wir bauen, wenn es dann im Einsatz ist, das ist nicht, dass wir uns nun davon lösen können und sagen: „Gut, also verkauft so viel wie möglich davon.“ Sondern wir müssen weiter beobachten, was wird denn damit passieren. Ich war immer der Meinung, dass wir politisch im Westen dem Osten überlegen sind, weil wir das bessere Fernsehen haben. Weil wir mehr Informationsfreiheit haben und die verteilen und irgendwann muss das sich mal positiv Auswirken. Im Nachhinein war es also nicht so sehr die Überlegenheit unserer Fernsehgesellschaft, sondern vielleicht mehr die Pershing-Nachrüstung.

Was jetzt passiert ist in den letzten 15 Jahren mit den sozialen Systemen, die wir gebaut haben, die mit einer Begeisterung von Milliarden von Menschen genutzt werden, ist was ganz Merkwürdiges passiert. Statt die Informationen noch weiter zu verbreiten, noch mehr Menschen zu informieren über das Wichtigste, über das Richtige oder auch nur über das, was Spaß macht zu lesen oder anzuschauen. Plötzlich reduziert sich unsere Informationsaufnahmebereitschaft. Wir lesen. Es fängt also an mit den – ich weiß gar nicht wie viele es waren – 94 Zeichen: Textmessages. Dann Emojis. Wir verarmen. Kaum einer liest ein Buch. Kaum einer beschäftigt sich mit einer Sachfrage länger als ein paar Sekunden. Und fake news überall. Was in Amerika passiert ist in den letzten zwei Jahren, muss ein Lehrbeispiel für die Soziologen sein aber auch [für] die Techniker, da was zu machen. So geht es nicht weiter in diese Richtung. Wir brauchen – wie immer vielleicht – nach dem Einführen von radikalen neuen Techniklösungen, ob Dampfmaschine, ob Auto oder Flugzeug oder Atommeiler: Danach gab es neue Gesetze. Danach gab es neues Recht.

Wir haben die Welt mit diesen sozialen Netzwerken so stark verändert, dass wir über die sozialen Folgen wirklich ernsthaft Nachdenken müssen. Wird auch gemacht. Aber es muss auch gehandelt werden. Das sind die Grenzen, die passieren können, von dem, was wir tun. Also mit der Dampfmaschine sind die Kessel in die Luft geflogen. Mit dem Auto ist ja alles gut gegangen. Nicht? Mit dem Flugzeug haben wir lernen müssen, wie Qualität wirklich funktionieren muss. Wenn im Flugzeug was kaputt ist, kann halt nicht mehr gut landen. Und, naja, mit den Atommeilern haben wir ja auch gelernt und unsere Schlüsse daraus gezogen.

Also, der Ingenieur, die Ingenieure haben eine Verantwortung auch nachdem sie etwas erfunden, gebaut und verkauft und in den Markt gebracht haben. Die Freude, von der ich gesprochen habe, die treibt uns voran. Und ich finde das gut, Herr Milberg. Wir haben sowieso ab und zu fast synchrone Meinungen zu Dingen.

Als die SAP vor zehn Jahren einmal in einer Krise war, habe ich in einer Rede an die Mitarbeiter gesagt – also es gab eine Änderung im Vorstand und im Vorstandsvorsitz. Und ich habe gehofft, dass die Neuen – Jim war dabei –  als sie das Amt übernommen haben, die SAP wieder zurückführen zu einer Firma, wo die Mitarbeiter‚ Freude haben. Menschen, die Freude haben, arbeiten vielleicht 120% erfolgreich. Menschen, die keine Freude haben, also sicher unter 80%. Es ist so gewaltig der Unterschied [da]zwischen.

Das Wort „glücklich“ ist ein bisschen oder kann falsch verstanden werden. Ich habe es damals gewählt, weil ich „happy“ in Englisch gesagt habe. Es so wichtig, dass wir in unserer Gesellschaft auch Freude haben, insbesondere in einer Firma Freude an dem, was wir machen. Freude an dem was wir machen wollen. Und so ganz verstehe ich nicht, was weltweit die Menschen bewegt, dass sie sich so abgehängt fühlen. Das kann sein, dass wir mit unserer Informatik, in unseren digitalen Prozessen tatsächlich Leute, die keine Ader dafür haben, nicht verstehen, dass wir sie emotional abhängen. Wenn das so ist, dann müssen wir das erkennen und dagegen etwas tun. Aber an sich ist es schlecht, wenn große Teile der Bevölkerung meinen, es geht uns eigentlich nicht gut. Es ist eigentlich keine Freude mehr da, sie sind knorrig, wir müssen aus der EU austreten. Haben wir noch keine Freude mehr. Da sind also Probleme, die jetzt nicht vom Engineering gelöst werden können. Aber wir sind mit dabei!

Wir haben gestern in der Stiftungsratssitzung ein bisschen darüber diskutiert: Wir sollten, wir müssen die Öffentlichkeit positiv einstimmen, über unsere Zukunft positiv, über das, was wir machen können, was wir machen müssen. Denn sonst verbruzzeln wir unsere eigenen geistigen Kapazitäten. Ja und die Chinesen sind so weit weg, dass wir sie nie mehr sehen.

Schönen Dank!

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