Stiftung Werner-von-Siemens-Ring | CARL VON LINDE – Ringträger 1916

CARL VON LINDE – Ringträger 1916

Über die Person

Carl von Linde
* 11. Juni 1842 in Berndorf
+ 16. November 1934 in München

Carl von Linde begründete die Kältetechnik wissenschaftlich und dehnte sie bis zur Verflüssigung und Zerlegung der Luft aus. Die aktuellen Geltung der Kälte-Industrie ist in erster Linie der schöpferischen Tätigkeit und organisatorischen Kraft Carl von Lindes zu verdanken.

Begründer der Kältetechnik und ihrer physikalischen Grundlagen

Carl Linde wurde am 11. Juni 1842 als eines von neun Kindern der Pastorenfamilie Friedrich und Franziska Linde im oberfränkischen Berndorf geboren. In seiner 1916 aus verschiedenen Aufzeichnungen zusammengestellten Autobiographie schildert er sehr anschaulich die Enttäuschung seines Vaters, dass der einzige Sohn mit einem „humanistischen Abitur“ kein geisteswissenschaftliches Studium absolvieren und schon gar nicht Theologe werden wollte. Schließlich stimmte der Vater doch dem Wunsch seines Sohnes zu, am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich Maschinenlehre zu studieren. Dieses Polytechnikum hatte damals im deutschsprachigen Gebiet einen hervorragenden Ruf, und so zählten berühmte Professoren zu Lindes Lehrern: Dedekind für die höhere Mathematik, Clausius für Physik, Zeuner für technische Mechanik und Reuleaux für Maschinentechnik.

Hier erwarb sich Linde bald bei den Professoren den Ruf eines eifrigen jungen Mannes und bei seinen Kommilitonen das Ansehen eines engagierten Vertreters studentischer Interessen. Dieses Engagement führte allerdings zu einem unerwarteten Zwischenfall, der das Studium in Zürich abrupt beendete. In einem Konflikt der Studentenschaft mit dem Rektor des Polytechnikums hielt sich Linde zunächst zurück, setzte sich dann jedoch so sehr für einige relegierte Studenten ein, dass er selber die Hochschule im letzten Semester und kurz vor der Aushändigung des Ingenieurdiploms verlassen musste. Dafür stellten ihm einige Professoren, die seine Fähigkeiten besonders schätzten, persönliche Abgangszeugnisse aus. Linde schreibt dazu in seiner Autobiographie nicht ohne Stolz, dass diese Zeugnisse ihm für den weiteren Berufsweg wesentliche Dienste geleistet hätten, dass er jedoch niemals nach dem fehlenden Ingenieurdiplom gefragt worden sei.

Die vielen Erfolge und Auszeichnungen auf seinem späteren Lebensweg, darunter auch zwei Ehrenpromotionen und die Auszeichnung mit dem Werner-von-Siemens-Ring, erleichterten sicherlich diese Aussage. Nach der Rückkehr aus der Schweiz im Jahre 1864 nahm Linde verschiedene Industriestellungen an, zuletzt die eines Leiters des Konstruktionsbüros in der Lokomotivfabrik Krauß in München.

1868 wurde er zuerst Privatdozent und a.o. Professor, dann 1872 o. Professor für Maschinenlehre an der neu geschaffenen Polytechnischen Hochschule in München. In den folgenden Jahren entstanden zahlreiche Publikationen und Erfindungen, darunter die Entwicklung einer Ammoniak-Kältemaschine durch systematische Anwendung der Clausiusschen Thermodynamik auf die Theorie der Kälteerzeugung.

Bereits in dieser ersten Phase seiner Lehrtätigkeit an der Technischen Hochschule München von 1868 bis 1879 hatte es Carl Linde auch verstanden, seinen Studenten die thermodynamischen Vorgänge in Maschinen aller Art praxisnah zu erläutern. Hier ist vielleicht auch ein wichtiger Antrieb zur späteren Entwicklung des Dieselmotors zu suchen. Der junge Student Rudolf Diesel besuchte nämlich 1878 in München die Vorlesungen Lindes zur Thermodynamik. Er schreibt dazu: „Als mein verehrter Lehrer, Professor Linde, am Polytechnikum in München 1878 seinen Zuhörern in der thermodynamischen Vorlesung erklärte, dass die Dampfmaschine nur 6–10 % der disponiblen Wärme des Brennstoffes in effektive Arbeit umwandle, als er den Carnotschen Lehrsatz erläuterte und ausführte, dass bei der isothermischen Zustandsänderung eines Gases alle zugeführte Wärme in Arbeit verwandelt werde, da schrieb ich an den Rand meines Kollegienheftes: ‘Studieren, ob es nicht möglich ist, die Isotherme praktisch zu verwirklichen’. Damals stellte ich mir die Aufgabe! Das war noch keine Erfindung, auch nicht die Idee dazu. Der Wunsch der Verwirklichung des Carnotschen Idealprozesses beherrschte fortan mein Dasein. Ich verließ die Schule, musste mir meine Stellung im Leben erobern. Der Gedanke verfolgte mich unausgesetzt.“

Die starke doppelte Beanspruchung durch die Pflichten eines Hochschulprofessors und die industrielle Auswertung der zahlreichen Erfindungen und Patente veranlassten Carl Linde, 1878 um Entlassung aus dem Staatsdienst nachzusuchen. 1879 wurde die „Gesellschaft für Lindes Eismaschinen“ gegründet, deren Geschäftsführung er übernahm. Hier entstanden wieder zahlreiche technologische Entwicklungen, die insbesondere der Tiefkühlung von Lebensmitteln, der Paraffingewinnung, der Margarinefabrikation, der Brauereitechnik, aber auch vielen Prozessen in der chemischen Industrie zu Gute kamen.

1889 waren die zehn Jahre abgelaufen, für die sich Linde als Vorstand der Gesellschaft verpflichtet hatte. Organisatorische und geschäftliche Aufgaben hatten ihn stärker als erwartet beansprucht. Er sehnte sich „nach der Rückkehr zu wissenschaftlicher Tätigkeit und nach Wiedereintritt in die Atmosphäre der geistigen und allgemeinen Interessen“, die er beim Ausscheiden aus dem Hochschulbereich hatte verlassen müssen.

So trat Carl Linde 1890 von der Geschäftsführung der Gesellschaft zurück und übernahm wieder eine Professur mit „beschränkter Lehrtätigkeit“ in München, wobei er dort gleichzeitig ein „Filialbureau“ der Linde AG mit „Kälte-Versuchsstation“ einrichtete. Hier fand 1895 wohl die bemerkenswerteste Entwicklung ihren vorläufigen Abschluss, nämlich die Verflüssigung der Luft in großem Maßstab durch Verbindung des Thomson- Joule- Effekts mit dem Gegenstromprinzip.

Über dieses Ergebnis berichtete Linde erstmalig im Frühjahr 1895 bei der Kuratoriumstagung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt. Die erste öffentliche Mitteilung hatte er sich für die Hauptversammlung des Vereins Deutscher Ingenieure vorbehalten, die im August 1895 stattfand. Es folgten noch viele wissenschaftliche Publikationen und technische Entwicklungen, von denen hier nur die Gewinnung von reinem Sauerstoff und Stickstoff durch fraktionierte Verdampfung erwähnt werden soll.

In einer Laudatio zum 90. Geburtstag des 1895 geadelten Carl von Linde schreibt der Münchner Thermodynamiker Oscar Knoblauch, dass der Quell aller Erfolge Lindes einer genialen Begabung für die technische Physik entsprang: „Überblickt man die Zusammenstellung seiner wissenschaftlichen Abhandlungen, so erkennt man in allen als Leitmotiv den wissenschaftlichen Forschungstrieb. Wenn auch dessen Ergebnisse den Aufstieg und den Weltruf der seinen Namen tragenden Gesellschaft zur Folge hatten, so ist doch die Forschung stets nur ihrer selbst willen, zur Klärung technischer Probleme betrieben worden und diesen selbst gewidmet gewesen, ohne durch wirtschaftliche Gesichtspunkte behindert zu werden.“

Kurzbiographie

1861-1864 Studium des Maschinenbaus am Polytechnikum Zürich.

1868 außerordentlicher Professor der Maschinenlehre am Polytechnikum in München.

1870 grundlegende Veröffentlichung über „Wärmeentziehung bei niedrigen Temperaturen durch mechanische Mittel“. Die erste Kältemaschine baute die Maschinenfabrik Augsburg mit Ammoniak als Arbeitsflüssigkeit.

1879  Gründung der Gesellschaft für Lindes Eismaschinen in Wiesbaden als Ingenieurbüro ohne eigene Fertigung.

1891 Kälteversuchsstation für tiefste Temperaturen in München.

1895 erstmalige Luftverflüssigung bis -200°C in größerer Menge (3 l/h).

1902 erste Sauerstofffabrik in Höllriegelskreuth bei München.